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Diskussion

Revolution in der Kleinstadt?

Ein Blick auf Politik auf dem Land, wo abseits linker Wohlfühlzonen agiert werden muss.

Das Zentrum der Linken in Deutschland sind ganz klar die Großstädte. Hier scheint die Kultur eine freiere zu sein, die Menschen offener für neue Lösungen. Dementsprechend wird auch abfällig über die Landbevölkerung gesprochen, die immer bisschen hintendran, stockkonservativ und einfältig sei. Bei allem Gerede über Landflucht verhält es sich aber nach wie vor so, dass fast 70 Prozent der Bevölkerung in Orten mit unter 100.000 Einwohnern leben. Gerade in Süddeutschland lebt die Basis der Gesellschaft eher auf dem Land oder in kleinen Städten. In diesem Teil der Gesellschaft kommt die radikale Linke so gut wie nicht vor. Solche Orte sind meist konservative Hochburgen, in denen Linke sehr unbeliebt sind. Dort sind die Bedingungen für revolutionäre Politik anders als in der Großstadt. Der folgende Text bezieht sich auf die Gegenden, in denen die CSU noch eine Volkspartei ist: Die bayerische Provinz, dis wo i herkomm.

In Süddeutschland ist die wirtschaftliche Lage meistens gut. Hier sind auch sehr ländliche Gegenden stark industrialisiert. Man findet etwa überall Zulieferer für die Automobilindustrie oder eben Stammwerke dieser in den Ballungszentren. Die Landwirtschaft hat in den letzten 50 Jahren den Sprung vom süddeutschen Kleinbauerntum zum kapitalistischen Großunternehmen gemacht. Der Großteil der ehemaligen Bauern wurde proletarisiert, einige wenige wurden KapitalistInnen. Doch von einer Verelendung im Zuge dessen kann man in dieser Gegend nicht sprechen. Die Söhne und Töchter der ehemaligen Kleinbauern verdienen meistens sehr gut, können sich ohne Probleme Familie und Haus leisten. Arbeitslose gibt es so gut wie nicht. Hier zieht kaum jemand weg, höchstens mal zum studieren, aber viele kommen dann wieder. Es herrscht Fachkräftemangel. In diesen Gegenden gibt es kaum „Überflüssige“ da fast alle in den Produktionsprozess eingebunden werden können.

Das sorgt natürlich dafür, dass die Löhne, im Vergleich zum Rest der BRD, sehr hoch sind. Die ArbeiterInnenklasse ist dort meistens so „reich“, dass sie sehr verbürgerlicht ist, gemütlich vor sich hin lebt, und wenig Grund hat sich zu beschweren. Viele haben das Bild, dass bei ihnen doch alles in Ordnung ist und verlieren den Blick für den Rest der Welt. Politik spielt daher so gut wie keine Rolle. Als Linker nervt man die Leute meistens, da es natürlich schwer ist in solchen Gegenden den Leuten die Vorzüge des Sozialismus schmackhaft zu machen, wo viele eigene Häuser besitzen. Immer wieder kommt das Totschlagargument, dass es im Vergleich zu anderen Gegenden doch besser nicht laufen kann. Politisch lässt man sich Gegenseitig eher in Ruhe, außer es ändert sich direkt vor Ort etwas. Als 2015 viele Geflüchtete aufs Land verteilt wurden und den Menschen die Panikmache aus den Medien entgegenschallte wurde es dann ganz schnell politisch. An der Diskussion haben sich ganze Dorfgemeinschaften zerstritten. Die ökonomische Lage der ArbeiterInnen im gelobten Land macht den Sprung zum Faschismus leicht, da sie ja tatsächlich etwas besitzen, das man ihnen wegnehmen könnte. Aber zum Glück gibt es natürlich auch dort Menschen, die sich der Hetze entgegenstellen haben und nach dem Motto „Uns geht es hier doch bestens, also lasst uns doch andere daran teilhaben“ gehandelt haben. So rechts wie man immer denkt, sind die Menschen auf dem Land nicht pauschal. Wer sich eben nicht um Politik schert, reproduziert die herrschende Ideologie und wählt weiter rechts, weil man es schon immer so gemacht hat. Und in Gegenden, in denen die radikale Linke nicht existiert, haben die Leute wenig Chancen mit unseren Inhalten in Kontakt zu kommen. Dazu kommt noch die starke Repression, gerade in Bayern und gerade auf dem Land, gegen Menschen, die als Linke politisch aktiv werden. So wird das Hinterland schön „sauber“ gehalten. Natürlich wählt ein nicht unerheblicher Teil der Landbevölkerung ganz bewusst rechts, aber nicht automatisch aus einem Rassismus heraus, sondern auch weil die CSU dort für jahrelange Stabilität und Wohlstand gesorgt hat. Es ist aber auch davon auszugehen, dass es auch auf dem Land immer mehr Unentschiedene gibt, die unbedingt unsere AdressatInnen sein sollten.

Es stellt sich die notwendige Frage, wie sich auch auf dem Land vermehrt revolutionäre Politik machen lässt. Dazu muss man die Schwächen des Wirtschaftssystems betonen, die die Menschen hart treffen können, auch wenn sie gerade noch von ihm profitieren. In Gegenden, wo die Verelendung durch den Kapitalismus nicht so offensichtlich ist, wie in städtischen Armenvierteln, ist es schwieriger den Klassenunterschied zu betonen. Wer ein eigenes Haus besitzt tut sich schwer mit der Vorstellung, dass auch er/sie ausgebeutet wird. Aber selbst wenn: Das ist noch kein Argument, das jemanden bewegen würde. Immerhin hat man dort was davon, wenn man sich dadurch ein eigenes Haus bauen kann. Die Frage ist allerdings wie lange das Ganze noch gut geht. Auch wenn man auf dem Land schnell das Gefühl bekommt, man hätte mit dem Rest der Welt nichts zu tun, kann die Entwicklung der Weltwirtschaft für massive Veränderungen sorgen. Denn diese Gegenden sind extrem abhängig von der Autoindustrie. Die nächste Krise steht vor der Tür. Viele Häuslebauer haben Kredite laufen, die sie bei Jobverlust niemals halten können. Dann kann es sein, dass die bürgerliche Illusion mit einem mal zerbricht und auch dort die ArbeiterInnen wieder nichts haben als ihre Arbeitskraft, die sie dann womöglich nicht mehr am Markt anbringen. Und dann bringt es ihnen auch nichts mehr in AfD- Manier verzweifelt ihren Krümel, den sie vom Kapital bekommen haben, zu verteidigen. Noch können sie es sich vielleicht in ihrer bürgerliche Illusion gemütlich machen. Es sieht aber alles danach aus, als wären diese Zeiten bald vorbei.

Die Erfolge der konservativen auf dem Land hängen größtenteils mit der wirtschaftlichen Stabilität und der einfach herzustellenden Hegemonie zusammen. Solang alles gut geht, wird es schwer für Linke in der ökonomischen Frage zu Punkten. Man kann aber davon ausgehen, dass sich das bald ändern wird und genau an diesem Punkt muss die Linke angreifen. Denn wir alle kennen auch die andere Krisenbewältigung. Schaffen wir es nicht, eine Alternative zu sein, wenden sich die Leute den FaschistInnen zu. Diese sind ihnen teilweise bestimmt näher und versprechen so einiges, wenn man etwas zu verlieren hat. Wir müssen klarmachen, wie die Rechten sie anlügen und dass nur wir eine sinnvolle Antwort auf den kriselnden Kapitalismus haben. Es braucht konkrete Entwürfe sozialistischen Wirtschaftens und Lebens, anhand dessen man die Leute überzeugen kann. Der Stand der technischen Entwicklungen ist heute so weit, dass man den Kapitalismus per Mausklick ersetzen könnte. Wir müssen den Leuten klarmachen, welche Vorteile auch sie davon haben können, wie etwa eine enorme Arbeitszeitverkürzung, kürzere Wege durch Regionalisierung der Produktion oder Ausbau des öffentlichen Verkehrs auch auf dem Land.

Ein Potential in den ländlichen Gegenden ist das soziale Gefüge untereinander. Im Vergleich zu den Großstädten kennt man hier eher seine Nachbarn und teilt sich eine Lebenswelt mit ihnen. Was früher in den städtischen Arbeitervierteln zu einem kollektiven Bewusstsein beitrug, ist mittlerweile fast Geschichte. Die ArbeiterInnenklasse hat sich sehr ausdifferenziert. Das macht es schwerer sich als Einheit zu begreifen. In der Großstadt muss revolutionäre Politik eigentlich erst einmal damit beginnen, die Menschen wieder näher aneinander zu bringen. Auf dem Land ist das nicht nötig. Dort sind viele in Vereinen tätig und bestens untereinander vernetzt. Will man dort im gesellschaftlichen Leben eine Rolle spielen, muss man Teil davon werden. Dieses Potential nutzen bis jetzt vor allem Nazis und sind damit sehr erfolgreich. Sie schaffen es, in der Bevölkerung eine Akzeptanz zu erlangen und einen Teil davon auch von ihrem Dreck zu überzeugen. Außerhalb der Großstädte gibt es dann kaum Gegenstimmen und so werden FaschistInnen geduldet und unterstützt. Diese Unheil versprechende Allianz muss gebrochen werden. Fängt man damit an, das Problem handfest anzugehen polarisiert man und zwingt Leute sich für eine Seite zu entscheiden. Das stört natürlich zunächst die ländliche Idylle. Doch wir wollen den Leuten ja eh klarmachen, dass es diese Idylle eigentlich nicht gibt und, sobald es etwa in der Autoindustrie kriselt, das ganze Kartenhaus zusammenbrechen kann.

Die radikale Linke braucht einen Plan, wie auf dem Land Politik gemacht werden soll. Es gibt erfolgreiche Beispiele linker Organisierung auch in Kleinstädten. Diese gilt es zu unterstützen, damit sie vor Ort die genannte Gegenstimme zu Konservativen und Faschos sein können. Das reicht nämlich oft schon aus, um das Klima in bestimmten Gegenden zum Besseren zu wenden, was Angriffe von Nazis angeht. Zerrt man sie und ihre Verbindungen in die Öffentlichkeit und stellt eine Kraft da, die sich gegen sie wehren kann, hat man den ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht. Überlassen wir das Land nicht den Rechten, ziehen auch nicht mehr alle kritisch denkenden in die Großstadt, sondern bleiben und bauen vor Ort linke Strukturen auf. Damit die bayerische Provinz, wie vor 100 Jahren, zumindest in Teilen wieder sozialistisch wird.

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