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Imperialismus Repression

Heimatschutz Deutschland – Die Rückkehr der Freikorps

Von Vidar Lindstrøm

Seit 6. April besteht nun offiziell der neue „Wehrdienst im Heimatschutz“ der Bundeswehr. Beginnend mit knapp über dreihundert RekrutInnen, sollen in einer insgesamt siebenmonatigen Grundausbildung die RekrutInnen trainiert werden, um dann mindestens fünf Monate innerhalb von sechs Jahren gemeinsam mit regulären Teilen der Bundeswehr „Reserveübungen oder Einsätze zu leisten“. Als nächster Schritt steht an, aus den verschiedenen Teilen des Heimatschutzes ein bundesweites Heimatschutzregiment zu bilden. Das Projekt Heimatschutz wurde bewusst so gestaltet, dass es NationalistInnen anspricht. Die Erzählung des Verteidigungsministeriums von der friedlichen Truppe die auch mal im Inland hilft, ist reine Augenwischerei. Es geht um den Aufbau einer militärischen Reserve, sowohl für den Kampf für die imperialistischen Interessen im Ausland, als auch um Heimatschutzstrukturen, wie sie historisch die Freikorps dargestellt haben. So oder so: die Bundeswehr sucht Nachwuchs für ihre Mission, dem deutschen Kapital hier wie im Ausland die besten Ausbeutungsbedingungen zu sichern.

Bayern – Testlabor der Reaktion

Wiedermal ist das Testlabor für solch ein Vorhaben das Bundesland Bayern.1 Das ist nur logisch, denn nirgendwo gibt es bessere Strukturen und kaum zu erwartenden Widerstand. Der Ein-Parteien-Staat der CSU kann hier ruhig durchregieren. Noch unter Verteidigungsministerin Ursula Von der Leyen, wurde das sogenannte Landesregiment Bayern aufgebaut. Die Idee stammte vom Präsidenten des Reservistenverbandes Oswin Veith, der diese bereits 2016 vorstellte. Damals wurde seine Idee noch von der Bundeswehr abgelehnt, da der Vorschlag nicht vereinbar mit dem Grundgesetz gewesen wäre und potentiell das staatliche Gewaltmonopol unterlaufe.2 Seit eh und je machen Reservistenverbände in Deutschland Druck auf die Bundeswehr. Sie fordern eine Stärkung ihrer Strukturen und eine stärkere Einbindung. Die Ablehnung durch die Bundeswehr beendete das Projekt jedoch nicht. Die CSU ist ein Meister darin, verfassungswidrige Projekte so umzugestalten, dass es fürs Bundesverfassungsgericht reicht. Von Dezember 2018 bis Dezember 2021 läuft das Pilot-Projekt Landesregiment Bayern. Es hat Vorbildcharakter für das sich in einigen Jahren gründende Heimatschutzregiment. In dieser neuen Struktur werden reguläre Truppen der Bundeswehr mit Reservistenverbänden und den sogenannten RSU-Kräften verzahnt.3 Auf letzterem sollte ein besonderes Augenmerk liegen.

Die RSU-Kräfte (Regionale Sicherungs- und Unterstützungskräfte) sind diejenigen Bundeswehreinheiten, welchen die Aufgabe des Heimatschutzes bisher zukommen. Neben der klassischen Aufgaben des Katastrophen – und Objektschutzes, werden diese Einheiten auch für Inlandseinsätze, insbesondere zum Einsatz gegen vermeintliche Unruhen, ausgebildet. Oder wie es der ehemalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière ausdrückte: „Heimatschutz ist etwas anderes als Katastrophenschutz.“4 Die Bundeswehr soll nicht nur gegen die eigene Bevölkerung in Stellung gebracht werden, sondern soll auch eine stärkere Rolle in den bundesweiten Hilfs- und Katastrophenschutzstrukturen einnehmen und an derartigen Aufgaben interessierten Nachwuchs rekrutieren. Wie das konkret ausschaut, können wir derzeit beim Corona-Einsatz von BundeswehrsoldatInnen in Testzentren und Gesundheitsämtern sehen.

Was das in der Konsequenz bedeutet, beschrieb der Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Ulrich Sander, in seinem Referat auf dem Kasseler Friedensratschlag 2012 recht eindeutig:

„Diese Reserve hat keine Ruh. Sie haben bereits in „Friedenszeiten“ die Unterordnung ziviler Einrichtungen unter das Militär praktisch zu organisieren. Den Sanitäter beim Roten Kreuz genauso wie den Rettungsschwimmer der DLRG, die Feuerwehr und den Funker oder Fahrer des Technischen Hilfswerks. Nicht zu vergessen dabei die verschiedensten Formationen von Polizei und Geheimdiensten. Ja, alle Behörden haben für die Bundeswehr bereitzustehen.“5

Präventiver Sicherheitsstaat und Imperialismus

Wozu eine solche Struktur? Die Lösung der Fragen liegt in der neoliberalen Politik selbst und in Deutschlands imperialistischen Interessen. Die Abschaffung des Wehrdienstes war notwendig, um Kosten zu sparen und die Armee besser neu organisieren zu können. Dies und die erhöhte Auslandspräsenz deutscher SoldatInnen, hat aber einen Personalmangel entstehen lassen. Die Bildung von relativ offenen Strukturen wie dem Heimatschutz minimiert die Ausbildungs- und Haltungskosten und hilft gleichzeitig die relative Größe der Bundeswehr zu erhöhen. Dies ist kostensparend und effizient. Die regulären Truppen der Bundeswehr gewinnen dadurch sicherlich den ein oder anderen Neuzugang und ReservistInnen können im Kriegsfall massenhaft eingezogen werden. Insgesamt braucht Deutschland eine größere Armee, um bei den sich verändernden Bedingungen am Weltmarkt und neuen geopolitischen Konstellationen genug mit den Muskeln spielen zu können, um die globalen Handels- und Produktionsbedingungen für das deutsche Kapital „mitgestalten“ zu können. Reicht das Spielen mit den Muskeln nicht aus, muss natürlich die Bundeswehr mit Gewalt die nötigen Bedingungen erzwingen oder zumindest die Verhandlungen beeinflussen. Das Militär ist ebenfalls notwendig, um die globalen Handelsrouten zu sichern und gleichzeitig die durch imperialistische Ausbeutung und Krieg entstehenden Migrationsbewegungen in Schach zu halten. Zumindest auf letzteres nimmt die Bundeswehr bisher nur indirekt Einfluss.

Heimatschutz wie ihn sich die Bundeswehr vorstellt.

Eine weitere wichtige Aufgabe, die nun mit dem Heimatschutz in die Hände der Bundeswehr gegeben wird, ist die Wahrung der inneren Sicherheit. Seit einigen Jahren lässt sich in Deutschland eine Verschärfung diverser Sicherheitsgesetze beobachten. Horst Seehofer hat in seiner Funktion als Bundesinnenminister selbst einige davon mit auf den Weg gebracht. Die Verschärfung des PAG (Polizeiaufgabengesetz) und des BND-Gesetzes legalisieren nahezu faschistoide Methoden der Überwachung und Kontrolle über die Bevölkerung und politisch Oppositionelle. Eine Auffälligkeit bei den diversen Gesetzesverschärfungen ist, dass es immer mehr zu einer Auflösung der Gewaltenteilung zwischen Polizei, Geheimdienst und Justiz kommt. Dies ist für den kapitalistischen Staat notwendig, da der Klassenkompromiss aufgrund der neoliberalen Akkumulationslogik und der damit zunehmenden Verarmung, sowie des Ungleichgewichts in der Vermögensverteilung, zu bröckeln beginnt (Staatsfaschisierung). Den Herrschenden im Staat ist dies bewusst, weswegen sie auf präventive Maßnahmen setzen, welche mitunter auch neue Strukturen notwendig machen. Der Heimatschutz ist so eine Struktur. Da das Verbot von Inlandseinsätzen der Bundeswehr selbst innerhalb der Union hart umkämpft ist, würde es aufzuheben einen massiven innenpolitischen Konflikt nach sich ziehen. Mit der BFE+ hat die Regierung eine Polizeieinheit geschaffen, welche dieses Verbot teilweise umgeht.6 Es sind Einheiten, welche auch im Häuserkampf trainiert werden und bei Konflikten mit niedriger Intensität zum Einsatz kommen können. Damit wurde eine Lücke geschlossen. Von der anderen Seite aus wird die Lücke mit dem Heimatschutz geschlossen. Er ermöglicht die Rekrutierung von militärisch geschulten ReservistInnen, welche im Inland darauf trainiert werden umfassende Kriegsoperationen durchzuführen, um so lange die Stellung zu halten, bis die regulären Truppen eingesetzt werden können. Legal ist diese Möglichkeit bei weitem noch nicht, aber sie wird theoretisch und praktisch vorbereitet innerhalb der Ausbildung im Heimatschutz. Die Werbetafeln für den Freiwilligendienst waren wohl nicht zufällig mit Maschinengewehren tragenden Soldaten im Wald bebildert.

Die Bundeswehr und ihre Nazis

Wer sich beim Namen Heimatschutz dachte: was ist das für eine Nazi-Scheiße, der liegt vollkommen richtig. Eine kurze Recherche im Internet reicht eigentlich um zu verstehen wie bewusst hier ein Einfallstor für faschistische Kräfte geschaffen wurde. Ein Blick auf Wikipedia ist da sehr aufschlussreich, wenn man erfahren möchte wo dieser und ähnliche Namen bereits gebraucht wurden: Neo-Nazi Organisationen (u.a. beim Vorläufer des NSU, dem Thüringer Heimatschutz), SS-Verbände oder der Bayerische Heimatschutz, der schon vor und während der Nazi-Herrschaft sein Unwesen trieb. Der Name ist kein Zufall, er soll Rechte anziehen, denn die sind bestens für den Job geschaffen und bringen die notwendige ideologische Überzeugung mit.

Die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat selbst dazu Stellung bezogen:

„Das ist eine bewusste Entscheidung und es ist auch kein Fehler, diesen Dienst so zu nennen. Ein Fehler war es, dass wir in der Vergangenheit den Begriff Heimat, der uns allen am Herzen liegt, diesen Begriff einfach den Rechten in diesem Land zu überlassen, die damit auch einen Missbrauch treiben und es wird Zeit, dass wir diesen Begriff wieder in die demokratische Mitte holen und dass wir ihn zurückerobern, wenn Sie so wollen.“7

Das ist die typische konservative Logik; die Nazis besetzen eines unserer Themen und haben damit mehr Erfolg, also übernehmen wir jetzt deren Inhalte und Rhetorik. Das Ergebnis sind jedoch nicht weniger Nazis, sondern mehr Nazis in den eigenen Reihen. Gewollt ist das durchaus. Schon die Begebenheiten rund um den NSU und andere rechte Terrorgruppen haben gezeigt, dass der Staat wenig Interesse daran hat, den Faschismus ernsthaft zu bekämpfen. Der Staat selbst hat seine Finger immer wieder mit ihm Spiel, kontrolliert diverse Organisationen sogar, was man anhand der vielen V-Männer innerhalb des Thüringer Heimatschutz beobachten konnte. Dies folgt der Logik des globalisierten Kapitalismus und seines rassistischen Migrationsregimes. Der Staat versucht mit der Kontrolle über die Migrationsbewegungen auch den Arbeitsmarkt zu regulieren. Es sollen nur die kommen, die dazu ausgenutzt werden können, die Löhne zu drücken oder die bereit sind unangenehme Drecksjob für Niedriglöhne zu erledigen. Wer nicht gebraucht wird, soll wieder verschwinden. Wo dies mit den üblichen Mitteln (Frontex, Abschiebungen, militarisierte Grenzen, Asylgesetze) nicht klappt, übernehmen die Nazis den Job und sorgen mit rassistischem Terror für eine Situation, in der MigrantInnen klein- und in der Ausbeutungshierarchie unten gehalten werden. Die so agierenden FaschistInnen sind sich ihrer Aufgabe im Kapitalismus durchaus bewusst, sie stellen das terroristische Potential des Kapitals im Klassenkampf und sichern die Dominanz der von der imperialistischen Ausbeutung profitierenden einheimischen Bevölkerung. Ebenso sind sie es die im äußersten Notfall eines drohenden Zusammenbruchs der politischen und ökonomischen Ordnung, mit Gewalt die Macht ergreifen, um mögliche Krisenlösungsstrategien der ArbeiterInnenklasse zu verhindern. Es scheint fast so, als ob AKK hier versucht das Nazi-Problem der Bundeswehr zu externalisieren, sollen die Trottel kommen, dann sollen sie aber auch die ihnen zustehenden Aufgaben wahrnehmen.

Ulrich Sander von der VVN-BdA, hat auch dieses Problem in seinem Referat aufgegriffen: „Heute rufen die Neonaziverbände ihre „jungen Kameraden“ auf, sich in der Bundeswehr an Waffen ausbilden zu lassen – „für den Kampf für Deutschland“. Diese Leute sind dann dabei, wenn die Zivil-militärische Zusammenarbeit die Städte und Gemeinden durchdringt. Tausende Reservisten stehen zum Einsatz im Innern bereit – auch zum Einsatz gegen das eigene Volk. Zum Einsatz gegen Streikende.“

Die Nazis bekommen also eine eigene Struktur geschenkt, in der sie staatlich kontrolliert militärisches Training bekommen und ihre Aufgabe als VerteidigerInnen des deutschen Kapitals und seiner nationalen Interessen wahrnehmen können. Das historisch ähnlichste Beispiel dürften die Freikorps sein, in welchen sich überzeugte Deutschnationale und Antisemiten zusammengetan haben, um als irreguläre Truppen neben der Reichswehr die um Befreiung kämpfende ArbeiterInnenklasse niederzumetzeln.8

Abschließend

Die Gründung des Heimatschutzes ist ein weiterer Schritt des Staates, sich besser aufzustellen, um für kommende Konflikte und Krisen Strukturen bereitzuhaben, die in der Lage sind den Klassenkampf von oben mit den brutalsten Mitteln zu führen. Eine größere Bundeswehr soll Deutschland in geopolitischen und ökonomischen Konflikten um den Einfluss auf dem Weltmarkt stützen. Um dies zu schaffen, setzen die Herrschenden auf flexible Strukturen, welche zum einen die Verflechtung der Bundeswehr mit der Bevölkerung erhöhen soll und zum anderen bewusst ideologisch überzeugte NationalistInnen rekrutiert, um Deutschlands nationale Interessen gegen Feinde im Inneren wie im Äußeren zu verteidigen. Wir müssen uns also die Frage stellen, welche Strukturen wir aufbauen müssen und welche Teile der Bevölkerung müssen wir ansprechen, um gemeinsam der sich immer besser organisierenden breiten deutschnationalen Front in Staat, Justiz, Militär, Geheimdienst und Bevölkerung die Stirn bieten zu können? Des weiteren steht die Frage im Raum wie eine wirksame Strategie gegen den Imperialismus in dessen Zentren ausschauen könnte? Wir brauchen besser jetzt als später, einen internationalistischen, antiimperialistischen und klassenkämpferischen Antifaschismus.


1https://www.tagesspiegel.de/politik/pilotprojekt-heimatschutz-in-bayern-erstes-landesregiment-der-bundeswehr-im-dienst/24358480.html

2https://www.imi-online.de/2019/02/08/experiment-landesregiment-bayern/

3https://www.bundeswehr.de/de/ueber-die-bundeswehr/die-reserve-der-bundeswehr/reservist-werden-in-der-bundeswehr-/reserve-der-streitkraeftebasis-/landesregiment-bayern

4Das Zitat stammt aus dem Referat von Ulrich Sander. Das Original ist nicht mehr auf der Seite des Reservistenverbands Berlin auffindbar.

5https://upgr.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/uploads/Dateien/Presseberichte/USanderRefFrieraschla20121201.pdf

6https://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-12/bundespolizei-anti-terror-einheit-thomas-de-maiziere-spezialeinheit

7Ab Minute 3:34. https://www.bmvg.de/de/aktuelles/statement-akk-zum-fwd-heimschutz-5050298

8https://www.autonomie-magazin.org/2019/05/die-bayerische-raeterepublik-zwischen-utopie-und-terror/

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