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Eddy ist tot.

Am 30. März ist im Nürnberger Arbeiterviertel Gostenhof Edgardo „Eddy“ Arnaldi gestorben. Eddy ist ehemaliger Militanter der Brigate Rosse gewesen und Sohn des berühmten italienischen Partisanen und kommunistischen Anwalts Edoardo Arnaldi. Nach seiner Haftentlassung zog es ihn Mitte der 80er nach Nürnberg, wo er am 30. März in Armut starb.

Der nachfolgende Beitrag kursiert in Gostenhof, um ihm zu gedenken, aber auch um Spenden für eine würdige Bestattung zu sammeln. Spenden können in Gostenhof in der Schwarzen Katze, dem Mops und dem Dorfschulze abgegeben werden. Für alle die nicht in Nürnberg leben, das Anliegen jedoch unterstützen möchten, haben wir hier ein >Paypal< Spendenkonto eingerichtet.


Eddy ist tot

Ein paar Worte seiner zu gedenken.

Am 30. März ist unser Genosse Edgardo Arnaldi in Nürnberg verstorben. Viele kannten Eddy, wie er genannt wurde, schon seit vielen Jahren. Er kam während der Neunziger Jahre zu uns nach Nürnberg. Die Stadt und ihre linke Bewegung wurden zur letzten Station einer jahrelangen Reise. Diese begann 1955 in Genua als Sohn einer politischen Familie. Seine Mutter stammte eigentlich aus bürgerlichem Hause, fand aber ihren Weg in die proletarische Linke und unterstützte ihren Sohn unhinterfragt, als er in den Knast kam. Sein Vater hatte bereits als kommunistischer Partisan und als Politkommissar gegen die nationalsozialistische Besatzungsmacht und die faschistische Unterdrückung gekämpft. Er engagierte sich auch nach dem Krieg gegen Faschismus und Krieg. Als politischer Anwalt vertrat er Linke und militante Kräfte der Roten Brigaden und genoss deshalb hohes Ansehen. Laut Eddy hat der Vater mit den Brigaden sympathisiert, weil dies der Mentalität der alten Partisanen entsprach. Die Jungen sollten vollenden, was die Resistenza nicht geschafft hatte: „Ihr nehmt unsere alten Gewehre in die Hände und die Geschichte geht weiter.“

In den Jahren der „Strategie der Spannung“ begann der italienische Staat gegen linke Anwälte vorzugehen und sie zu verhaften. Ziel dieser Strategie war es, die radikale Linke zu schwächen und gesellschaftlich zu isolieren. Die Kommunistische Partei erreichte zu diesem Zeitpunkt stabil 30 % Stimmenanteil bei Wahlen und viele Städte Norditaliens waren von kommunistischen Bürgermeistern regiert. Während dieser Zeit ereignete sich auch eine Razzia im Hause Arnaldi.

Da absehbar war, dass die Staatsmacht den schwerkranken Vater im Gefängnis erniedrigen und demütigen würde, traf dieser den freien Entschluss, sich das Leben zu nehmen, statt sich verhaften zu lassen. Eddys Mutter sagte dazu: „Er wollte mit aufrechtem Gang fallen.“ Der Leichenzug wurde anschließend von 10.000 Menschen begleitet.

Bei einem derart politischen Elternhaus ist es wenig überraschend, dass Eddy selbst aktiv wird. Er erlebt die Gewalt des Staates gegen streikende Arbeiter und unruhige Bauern. In den 1960er Jahren ist er als Jugendlicher mit im Demonstrationsgeschehen. Er beteiligt sich an den Abwehrbestrebungen, dass in seiner Stadt Genua die Faschisten und Politiker der MSI (Nachfolgepartei der Faschisten Mussolinis) den öffentlichen Raum wieder erobern können. Er berichtete mit Stolz, dass er bereits mit 14 seinen ersten Stein auf Vertreter der Staatsmacht warf. Anschließend wird Eddy Mitglied der Jugend der Kommunistische Partei Italiens (PCI). Er selbst verschreibt sein Leben und Arbeiten dem Antifaschismus und Kommunismus, kurz dem revolutionären Kampf für ein besseres Leben.

1973 wird er dann im Zusammenhang mit Aktionen der Bewegung „Lotta Continua“ („Der Kampf geht weiter“) zum ersten Mal verhaftet. Dieses Jahr, in dem in Chile das Militär gegen den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende putschte, wurde zum „Knackpunkt“ für viele. So auch für Eddy, der sich radikalisierte. Anschließend organisierte sich Eddy bei den „Brigate Rosse“, den Roten Brigaden, die zu diesem Zeitpunkt noch sehr bewegungsorientiert waren. Sie hielten in den Siebzigern und Achtzigern in Italien Staat, Kapital und Faschisten auf Trab. Im Rahmen dieser Bewegung besetzte auch Eddy 1977 die Universität in Bologna. Bei den Zusammenstößen mit der Polizei erschoss diese einen Genossen aus der Lotta Continua, es kam zu Straßenschlachten. Nach der Ermordung von vier Genossen und Genossinnen durch die Polizei im März 1980 in Genua, schließt sich Eddy der „Brigade 28. März“ an. Die Morde, die die „Brigate Rosse“ als „Hinrichtungen“ beschreibt, sind vermutlich ein Racheakt für einen 1979 erschossenen Polizisten. Die deshalb gegründete „Brigade 28. März“ will die Ermordeten durch Sabotageakte rächen. Da die Gruppe durch Verrat auffliegt, bevor sie zur Tat schreiten kann, gibt es wenig, mit dem der Staat Eddy belasten könnte. Trotzdem wird er in mehreren Knästen inhaftiert, so in Genua und La Spezia/Ligurien, in Locri/Kalabrien und in Foggia/Apulien. Dort diskutieren die Genossen ihre Strategie. Die Bewegung spaltet sich, doch sind immer noch solidarische Aktionen innerhalb der Gefangenschaft möglich. Durch die verhängte Isolationshaft gesteht Eddy seine eigene Mitgliedschaft bei den Roten Brigaden, distanziert sich aber nicht und verrät auch niemand anderen. Im Jahr 1982 wird Eddy entlassen und verlässt Italien.

Er beginnt viel zu reisen. Er lernte an zahlreichen Orten wie Skandinavien, Portugal während der Nelkenrevolution oder auch in Südamerika Freunde und Genossen kennen. Mitte der Achtziger landete er dann in Berlin, von wo er seinen Weg nach Nürnberg fand.

Seinen Freunden und langjährigen Wegbegleitern war Eddy als geselliger, belesener Freigeist bekannt, der sozialen Begegnungen nie abgeneigt war. Sein Lachen war ansteckend und seine Vorliebe für Tuc-Kekse brachten ihm den Namen „genuesische Maus“ ein. Er war ein ehrlicher Mensch, stets freundlich, zuverlässig und hilfsbereit. Als gelernter Grundschullehrer war es ihm immer eine Freude, sein Wissen weiterzugeben.

In den letzten Jahren stand es um seine Gesundheit nicht zum Besten, weshalb man ihn weniger auf der Straße sah. Vom Singen revolutionärer italienischer Lieder hat ihn das aber nie abgehalten.

Er hinterlässt einen Sohn und wird seinen Freunden fehlen. Sein Tod ist ein Verlust für alle, die ihn gekannt haben.

Er starb als aufrechter Revolutionär, der seine Ideale nie verraten hat. Bis zuletzt setzte er sich für ein besseres Morgen, ein rotes Morgen ein. Menschlichkeit war ihm eine Tugend, für die er stets einzutreten bereit war.

Eddy, wir möchten Deiner gedenken. Revolutionäre mögen sterben, vergessen wollen wir sie nicht.

Ein Teil dieses Gedenken ist es, für eine anständige Beerdigung zu sorgen. Da Eddy in den letzten Jahren seines Lebens sein Geld vom Sozialamt erhielt, zahlt die Gemeinde nur das Verscharren seiner Überreste in einem anonymen Massengrab. Das ist nicht gut genug.

Wir wollen ihm ein gepflegtes Grab mit Gedenkstein und Blumen ermöglichen. Ein Ort für Familie und Freunde zu trauern, einen Ort zum Gedenken.

Wir rufen daher zum Spenden auf. Wer ein bisschen was übrig hat, um dabei zu helfen, kann dies gerne an der Theke der Schwarzen Katze, im Mops oder im Dorfschulzen.

Sagt dort einfach: Für Eddy.