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Krise & Virus

Corona-Papers IV

Das folgende fünfteilige Diskussionspapier wurde am Anfang der Corona-Pandemie innerhalb der Assoziation autonomer Gruppen diskutiert. Dort konnte aber kein Konsens darüber gefunden werden, weswegen wir das Papier nun bei uns veröffentlichen, obwohl ein paar wesentliche Aspekte fehlen. Das größte Manko dürfte die Verkürzung des Papiers auf eine mögliche Produktionskrise sein, die Auswirkungen auf das Finanzsystem finden nur am Rande Erwähnung. Ebenso wird das Spannungsfeld zwischen Reform und Revolution auf zu einfache Weise betrachtet. Dennoch lohnt sich die Auseinandersetzung mit dem Papier, vor allem, weil es sich umfassend mit der Frage von Sicherheit, Ordnung und Freiheit, der faschistischen Gefahr, als auch mit den falschen Vorstellung mancher Verteilungslinker und den Gefahren durch eine Produktionskrise beschäftigt, und dazu einen klaren Standpunkt einnimmt. Wer Positionen zu Detailfragen sucht wird hier nicht fündig werden, vielmehr bietet das Papier klare, allgemeingültige Standpunkte, aus denen sich Erkenntnisse für die Praxis ableiten lassen. Da die Papiere bereits älter sind haben wir diese, wo nötig, aktualisiert.

Teil I bleibt allgemein, während es in Teil II explizit um Fragen von Verteilung (von Werten) und Reform geht. Teil III und IV beschäftigen sich noch einmal ausführlich mit den Themen Sicherheit, Ordnung, Freiheit, Wohlstand und den Einschränkungen der Grundrechte. Zum Schluss behandelt Teil V noch einmal die Gefahr die von einer Produktionskrise ausgeht, aber auch die Chancen für den Klassenkampf von unten.

Kritiken, Anmerkungen und Beschimpfungen können wie immer gerne an info@autonomie-magazin.org geschickt werden.

Euer Autonomie Magazin


Sicherheit und Wohlstand

Schon im Kapital „Die Freiheit, die ich meine“ wurden die höchst ambivalente Beziehung zwischen Freiheit und Sicherheit angesprochen und wie sie sich gerade im politischen Kontext völlig unterschiedlich darstellen kann. Das reziproke Verhältnis drückt sich direkt aus durch die bereits erwähnte Parole „Freiheit stirbt mit Sicherheit“. Im Alltagsverständnis steht die Linke sicherlich eher für die Werte der Freiheit, während die Rechte eher Sicherheit und Ordnung repräsentieren. Für die meisten Menschen sind beide Werte, auch wenn sie sich in manchen Situationen zu widersprechen scheinen, lebensnotwendig. Je nach den äußeren Gegebenheiten überwiegt mal das Bedürfnis nach Freiheit, mal das Bedürfnis nach Sicherheit.

Das dritte Bedürfnis in diesem Bunde ist der Wohlstand. Wohlstand – hier nicht nur monetär verstanden – ist der Zustand in Freiheit und Sicherheit zu sein, Auskommen zu haben. Dabei streben die meisten Menschen keine kolossalen Reichtümer an, sondern sind mit einem bescheidenen gesicherten Auskommen vollauf zufrieden. Dieser Wohlstand stellt sich nicht ein, wenn nicht ein Mindestmaß an Sicherheit gegeben ist, die sich in einer, wie auch immer gearteten, Gesetzlichkeit Ausdruck verleiht, die ihrerseits wieder die Freiheit einschränkt.

Die Suche nach der Balance dieser drei Faktoren beschäftigen PolitikerInnen wie PhilosophInnen gleichermaßen. Letztlich dominiert die gesellschaftliche Kraft, die diese Bedürfnisse gleichermaßen zu gewährleisten scheint. So waren es 1917 die Bolschewiki, die das despotische Regime des Zaren ablösten mit dem Versprechen den Krieg zu beenden und das Land gerecht an die Bauern und Bäuerinnen zu verteilen. Also Garant für Freiheit, Sicherheit und Wohlstand zu sein. Sie waren auch die Macht, die im bürgerkriegsgeschüttelten Russland die entsprechende Ordnung durchsetzen konnte. Dasselbe gilt für die chinesische Kommunistische Partei, die mit diesen Verheißungen den Kampf für sich entscheiden konnte. (Ob sie ihr Versprechen adäquat einlösten, darüber kann gestritten werden, auch wenn mancher Stammtischrevoluzzer sich schon entschieden hat und dieselben als „Verräter“ beschimpft. Leider ist festzustellen, dass diese Leute in der Regel Null und nichts auf die Reihe kriegen, geschweige den ganze Länder mit Millionen von Menschen täglich zuverlässlich mit Nahrung, Energie und dergleichen zu versorgen. Aber es geht hier nur darum eine Wirkungsweise aufzuzeigen).

Aber auch den Faschisten ist es gelungen, explizit dem Nationalsozialismus in Deutschland, damit die gesellschaftliche Hegemonie zu erlangen. Mit dem Versprechen, die Deutschen vom „Versailler Schandvertrag“ zu „befreien“ und für Sicherheit und Wohlstand in Deutschland nach verlorenem Krieg und Revolutionswirren zu sorgen, konnten sie große Teile der Bevölkerung hinter sich bringen, wenn auch unter ganz anderen Voraussetzungen.

Es gibt immer eine linke und eine rechte Lösung.

Die meisten Menschen sind einfach gestrickt und wollen ihr Leben in Sicherheit und bescheidenem Wohlstand ohne Unterdrückung verbringen. Das mag spießbürgerlich klingen und für manchen gar lächerlich sein, doch das Fehlen dieser drei Grundelemente war schon die Voraussetzung für so manche Revolution.

Nur eine Linke, der man zutraut neben ihren essentiellen politischen Inhalten auch Freiheit und Sicherheit und Wohlstand (den sicheren Schutz vor Armut und Unterdrückung) zu garantieren und auch die organisatorische Macht hat dies durchzusetzen, kann die gesellschaftliche Hegemonie erringen.

Der Sozialismus gewährleistet dies im Idealfall. Sorgen wir dafür, dass er eintritt.