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Antifa-Roman

34 | Partyfreuden

Es ist Samstag, 16 Uhr. Peter Müller und ein paar seiner zuverlässigsten Männer versammeln sich vor dem Gerichtstermin gegen Alfred Kromme und Bernd Habelmann zur Lagebesprechung. Der Bunker ist ein unbenutztes Gebäude, das der ‚Freien Kameradschaft‘ von einem betagten NPD-Mitglied überlassen wurde. Die Hände wie gewohnt hinter dem Rücken verschränkt, läuft der Nazi-Chef aufgebracht im Raum auf und ab. Er trägt schwarze Bundfaltenhosen, ein dunkles Seidenhemd und feine Lederschuhe. Die Umstehenden hören ihm stumm zu.

„Männer, ich fasse zur Lagebesprechung einmal kurz die Situation zusammen, in die uns Alfred und Bernd gebracht haben. Sie haben durch die versuchte Vergewaltigung von so einer Ausländerschlampe ein paar Ereignisse ausgelöst, die mir noch ein Rätsel sind, die aber irgendwie zusammen hängen und uns vielleicht sogar eines Tages schaden können!“

Seine Augen tasten die Männer ab.

„Eigentlich haben wir hier drei Problemfälle. Hausmeister Weitzel war mit von der Partie. Er wurde letzten Samstag von einer Frau schwer misshandelt. Die Polizei fand keine verwertbaren Spuren, aber jede Menge Kinderpornos. Der alte Sack hatte davon massenweise im Haus herumliegen. Er sitzt im Knast. Dreimal wurde er schon von Mitgefangenen verprügelt. Um ihn ist es nicht schade, aber er war uns manchmal nützlich. Das wird uns fehlen. Am selben Samstag tauchten dann noch bei mir und einem Dutzend Kameraden irgendwelche Türken auf und bedrohten uns. Einfach so, aus heiterem Himmel.“

Er macht eine Pause.

„Wir müssen uns fragen: Gibt es da einen Zusammenhang? Wenn ja, welchen?“

Erneute Pause.

„Doch die Merkwürdigkeiten gehen weiter. Vor einer Woche landeten Kevin und Michael im Krankenhaus, als sie einem der linken Drecksäcke aus der Leibnizschule eine Abreibung verpassen wollten. Er war gewarnt und hat ihnen was ins Vorderrad gesteckt. Die beiden haben einen bösen Abgang gemacht. Sie liegen im Josefs-Hospital, sind aber auf dem Weg der Besserung. Und das jüngste Ereignis: Vorletzte Nacht brannten das Quad von Bernd und die Vespa von Alfred.“

Dramatische Pause. Müller bleibt vor seinen Männern stehen.

„Was geht da vor? So einen Stress hatten wir noch nie auf einmal! Ich vermute, das alles hat irgendwie mit der versuchten Vergewaltigung zu tun.“

Karl Markowitz tritt vor. Der dicke Nazi ist 19 Jahre alt und absolviert eine Ausbildung als Lagerist. Er sieht aus wie ein Standardskinhead: hochgekrempelte Jeans, 10-Loch-Stiefel mit Stahlkappen, dunkles Poloshirt. Am Hals trägt er eine Totenkopftätowierung, an den Ellbogen Spinnennetze, einen SS-Totenkopf auf dem Unterarm. Er ist zwei Meter groß, wiegt 120 Kilo, sein IQ liegt bei 79.

„Wir müssen unsere Leute mal wieder auf unsere Werte einschwören. Auf Härte, Treue und auf Deutschland. Was gerade abgeht, verstehe ich auch nicht. Aber ich weiß, dass ein gutes Konzert oder eine geile Party unseren Leuten immer guttut!“

„Jaja, eine Party.“ Peter Müller rollt die Augen. „Wir machen eine Party und alles ist wieder im Lot …“

„Ja, genau!“ Karl strahlt. Der Nazi-Chef hat ihn verstanden.

Der Vorschlag ist dämlich. Aber ich weiß, was der tumbe Fettsack meint.

Robert Schuhmacher tritt vor. Ein Neonazi wie aus dem Lehrbuch „Faschist sein für Dummies“. Der Realschüler ist auffallend schmächtig und trägt gerne Kleidung, die an die Uniform der SA erinnert. Heute hat er sich für ein enges schwarzes Nylonhemd mit aufgesetzten Brusttaschen aus einem bekannten Textil-Discounter entschieden. Dazu eine dezent braune Militärhose aus dem örtlichen Army-Shop. Sein glattes braunes Haar ist akkurat gescheitelt, Marke „kurzsichtiges Mamasöhnchen“, seine Füße stecken in blitzblanken Schnürstiefeln, die wie Babylaufschuhe von ‚Elefanten‘ wirken. Aber Robert Schuhmacher ist nicht dumm.

„Peter, wir müssen uns auf diese neuen Antifas konzentrieren. Ein paar Namen haben wir ja bereits. Seit die aktiv sind, passieren komische Dinge.“

„Knallhart analysiert“, stellt Peter Müller mit überheblichem Ton fest. „Respekt! Und was genau schlägst du vor?“

„Beobachten, ausspionieren und outen. Bekannt machen“, antwortet Robert.

„Und was soll das bringen?“, fragt Karl. Er verachtet den Weichling.

„Naja, das machen die Antifas bei uns doch auch immer. Hängen Plakate auf, informieren die Nachbarschaft, die Schulleitung oder den Arbeitgeber. Das nervt schon.“

„Bei mir hat noch keiner angerufen“, wendet Karl ein.

„Ja, noch nicht“, sagt Robert. „Aber jetzt stell dir doch mal vor, dein Chef erfährt von deinen Aktivitäten. Und dann gibt es noch ein Bild von einer Demo, wo du mit einem Kameradschaftstransparent zu sehen bist. Was würde dein Chef machen?“

„Mir ordentlich in den Arsch treten. Und die Türken erst recht!“

„Siehst du“, erklärt Robert, „das wäre scheiße.“

„Nur dass keiner von den Antifas arbeitet oder eine Ausbildung macht, sondern die zufällig alle auf unsere Schule gehen.“ Peter ist genervt. „Toller Vorschlag also.“

„Aber im Auge behalten müssen wir sie. Da hat der Robert schon recht.“ Karl klingt erstaunlich helle. „Vielleicht sollten wir ihnen mal eine Abreibung verpassen?“

„Wie meinst du das?“

„Die müssen sich ja irgendwo treffen. So wie wir auch. Da mischen wir sie mal auf. Dann war’s das mit der Schul-Antifa!“

Peter denkt nach.

„Gar nicht so doof, Karl. Könnten sich ein paar von deinen Leuten darum kümmern? Ich meine, mal rausbekommen, wann und wo die zusammen hocken und die dann abpassen?“

„Klar Chef! Machen wir!“

„Gut. Das ist mal ein erster konkreter Schritt. Aber nun Männer, zu unseren Problemkindern Alfred und Bernd. Was machen wir mit denen?“

„Ich finde“, sagt Robert, „dass sie eine Strafe verdient haben. Aber der Verlust ihrer Fahrzeuge ist auch schon ganz schön hart.“

„Nein, die Feuer von letzter Nacht sind dafür uninteressant.“ Peter winkt ab. „Die werden bestraft, weil sie undiszipliniert waren, weil sie uns ein Problem bereitet haben!“

„Aber was haben sie denn gemacht?“, Robert möchte die beiden schützen. „Die wollten doch nur so einer blöden Fotze an die Wäsche …“

„Moment mal.“ Karl ist aufgebracht „Wenn hier jeder macht, was er will, dann können wir uns hier alles abschminken. Treue und Disziplin sind wichtig. Die müssen sich im Zaum halten. Ausländerfotze hin oder her. Und schon gar nicht dürfen sie uns, der Bewegung, schaden.“

Beifallsheischend schielt er zu Peter. Der nickt gnädig.

„Die beiden sind wichtig für uns im Schulbetrieb. Die kommen an Akten ran. Da müssen sie unbedingt weiter arbeiten! Auch unter einem neuen Hausmeister!“ Peter läuft wieder im Raum herum und denkt laut.

„Gute Idee“, räumt Robert ein. „Die sollten Montag wieder zum Dienst erscheinen, so als ob nichts wäre. Und mit dem Direktor sprechen, ihn fragen, was sie machen sollen. Der ist bestimmt froh, wenn er die irgendwelche Arbeiten erledigen lassen kann! Vor allem jetzt, wo er noch keinen neuen Hausmeister hat.“

„Genau das meinte ich auch! Wollten die auch letzten Montag schon machen, aber der Direktor war nicht da“, antwortet Peter. „Die müssen sich unentbehrlich machen im Schulbetrieb. Wenn die jetzt Hausmeistertätigkeiten übernehmen, dann wird der Direktor sie lieben!“

„Bisher wurden sie ja auch noch nicht offiziell entlassen.“

„Peter, du bist toll!“ Karl sagt das voller Inbrunst.

„Und wie lautet das Urteil heute Abend?“, will Robert wissen.

„Was schlägst du denn vor?“, kontert Peter.

„Keine körperliche Strafe. Das wäre nicht gut für den Arbeitsauftritt am Montag.“ Robert ist froh, dass er eine gute Erklärung gegen Schläge gefunden hat. „Sie sollen sich voll auf ihren Hausmeisterjob konzentrieren, aber ihren Lohn an die Bewegung abführen.“

„Was, keine Schläge?“ Karl ist erzürnt. „Meine Jungs warten darauf. Die haben extra ein paar feine Ruten besorgt, die machen schöne Streifen auf dem Arsch.“

Karl ist freudig erregt.

„Außerdem sieht man das ja später dann nicht!“

„Wie viele kommen denn nachher?“, will Peter wissen.

„Wie immer, Chef“, antwortet Karl. „Meine 20 Jungs und fünf Mädels. Dann kommt noch eine Neue mit. Die ist geil, die haben wir neulich mal zu viert rangenommen. Scharfes Teil. Können wir heute noch mal machen. Macht ihr mit?“

„Du bist widerlich!“ Robert ist erschüttert.

„Ach Quatsch, die findet das toll.“

„Und ihr fickt die ab und zu einfach mal durch? Mit mehreren Typen?“ Peter kann es nicht glauben.

„Klar, Mann. Ne Runde Crystal und die Mädels gehen ab wie Nachbars Lumpi.“

„Drogen?“

„Nur zum geil Machen, Chef. Ehrlich!“

„Das ist wirklich ekelhaft“, sagt Robert.

„Nur weil du keinen hoch bekommst, in deiner Kinderuniform da! Wer fickt, lebt!“

„Drogen und Frauen, armes Deutschland!“

„Bist du jetzt gegen uns Skinheads, oder was?“ Karl wirkt schlagartig angriffslustig. „Du bist echt ‘ne beschissene Spaßbremse!“

„Wie alt ist die Neue?“, mischt Peter sich ein.

„Ich glaube 17.“

„Die wird heute hier nicht angefasst. Besser ihr bringt die gar nicht erst hierher. Heute geht es nicht ums Ficken, sondern um Bestrafung“, stellt Peter klar. „Und nur mal für alle Fälle: sich durchficken zu lassen, ist keine Tat für Deutschland!“

„Doch schon, meine Männer sind danach immer gut drauf.“

„Macht woanders, was ihr wollt, aber nicht bei einer unserer Gerichtsverhandlungen! Ist das klar?!“ Peter sieht dem dicken Skinhead fest in die Augen. „Wie kommst du eigentlich auf so einen Mist?“

„Hab‘ ich von den Rockern. Die machen das auch.“

„Ich dachte, da laufen nur Drogengeschäfte?“

„Auch. Aber von denen kann man viel lernen. Gerade in Bezug auf Weiber. Die haben immer viele am Start.“

„So, es reicht jetzt. Keine Frauen hier. Wie immer!“

„Okay Boss, ich gebe es weiter.“ Damit zieht er sein Smartphone aus der Tasche und telefoniert.

„Und wie viele kommen von dir?“, will Peter von Robert wissen.

„Ich schätze mal um die sieben. Alles treue Kader. Die waren auch schon das letzte Mal alle dabei. Erinnerst du dich an die lustige Verurteilung vor drei Monaten?“

Peter nickt. Da wurde ein 15 Jahre junger Kamerad dafür bestraft, dass er im Suff die Frau eines wichtigen Burschenschaftlers auf einer Party als Schlampe tituliert hatte. Der Jugendliche bekam von jedem Anwesenden zwei Hiebe mit einer Reitgerte auf Rücken und Hinterteil. Insgesamt waren es 42 Schläge. Außerdem musste er die Wohnung der Frau komplett neu streichen. In Unterhosen. Der Junge hatte alles unter Tränen ertragen, ist aber nie wieder gesehen worden. Noch heute kursieren die Bilder von ihm in Nazikreisen. Ein mit roten Streifen übersäter Junge weißt eine Küche.

Müller schaut auf seine Uhr: „Wir müssen runter. Aber eins noch.“

Die anderen schauen ihn fragend an.

„Wir müssen dafür sorgen, dass die Tätowierung von Maik endlich verschwindet. Karl, du kennst dich doch aus. Wo kann man das überstechen lassen?“

„Eigentlich überall, in jedem Tattoo-Studio.“

„Das sollte aber nicht hier in der Nähe sein, eher in Mannheim oder so?“

„Warum?“

„Damit keiner einen Zusammenhang herstellt. Ist sicherer.“

„Wie viel kostet das?“

„Vermutlich muss er ja mehrfach hin. Mit allem Drum und Dran, vielleicht knapp ’nen Tausender“

„Kannst du das Geld besorgen?“

„Klar, wenn wir ’ne Hammerparty schmeißen, könnten wir Mädels anbieten und Crystal verticken, da kommt dann ordentlich was zusammen.“

„Mädels anbieten?“, fragt Peter Müller.

„Weitergeben, vermieten, egal. Das sind Nutten.“

„Wie bitte?“

„Bekommen wir von den Rockern, die leihen die uns aus, und wir bringen sie dann später wieder zurück.“

Robert Schuhmacher schaut ihn erschüttert an. „Ihr handelt mit Frauen?“

„Nein, wir verkaufen sie nicht.“

Robert schüttelt angewidert den Kopf.

„Sind Schlampen aus dem Osten. Kriegen die 81er von den ukrainischen Milizen. Durch die guten Regierungskontakte von denen lief das alles völlig legal. Jetzt kommen die einfach als Flüchtlinge. Besser geht’s gar nicht.“

„Unsere Kameraden in der Ukraine schicken hier Frauen auf den Strich? Das ist doch …“

„Robert, jetzt halt mal die Luft an“, sagt Peter Müller. „Wir brauchen das Geld. Es ist mir egal, woher es kommt, Geld stinkt nicht. Das Tattoo muss weg, und zwar schnell. Du immer mit deiner Obermoral.“

„Aber wer sind wir denn? Frauen- und Drogenhandel …“

„Schnauze, das ist ein Befehl. Wir brauchen Geld und damit basta. Mir egal, wo das herkommt!“ Müller wird selten laut, aber diesmal schon. „Konzentrier‘ du dich lieber auf den Prozess.“

Er wendet sich an Karl.

„Und du organisierst die Party des Jahres. Die Anschubfinanzierung dafür bekommst du gleich von unseren beiden Angeklagten.“ Er lächelt.

Skinhead Karl hört es mit Freuden.

Das wird eine geile Party, mit Stripperinnen, Hardcore-Musik und Drogen. Die Angels sind echt cool drauf, die wissen, wie man feiert. Und wir werden alle richtig ficken. Und Geld bringt das Ganze auch noch. Besser geht es gar nicht.

Karl jubelt innerlich.

„Und jetzt lasst uns nach unten gehen!“