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Antifa-Roman

25 | Daten

Die zwei neuen Aushilfen von Hausmeister Weitzel haben alle Hände voll zu tun. Endlich kann er jemanden herumkommandieren. Alle unangenehmen Arbeiten halst er den beiden Schülern auf. Seit dem Streichen der Schulwand sind sie ihm quasi offiziell zugeordnet.

„Heute sind die Teppiche im Sekretariat zu säubern“, erklärt er ihnen.

„Na klar, Herr Weitzel.“

Eigentlich ist das die Aufgabe des Reinigungspersonals. Aber die beiden Jungs kosten Weitzel viel weniger als die Putzfrauen. In der Abrechnung tauchen sie später als Reinigungspersonal mit den üblichen Kosten auf. Die Lohn-Differenz steckt Weitzel ein. Das gibt übers Jahr gesehen ein hübsches Sümmchen extra für mich.

„Ich werde in einer Stunde wieder da sein, ich muss kurz etwas erledigen. Bis dahin seid ihr fertig mit den Teppichen im Sekretariat!“

Sein Befehlston gefällt ihm. Ausbaufähig! denkt er. Muss ich öfter machen. Dann weiß auch dieses Schülerpack, wo der Hammer hängt!

„Schaffen wir locker, Herr Weitzel!“, rufen die beiden Untergebenen im Chor. Duckmäusern haben sie bei Peter Müller gelernt. Der Hausmeister genießt ihre Unterwürfigkeit und verschwindet Richtung Kiosk zwei Straßen weiter.

Einen „Zinn 40“ habe ich mir jetzt doch wirklich verdient! Oder auch zwei. Oder ein Herrengedeck.

Alfred und Bernd beginnen mit der Teppichreinigung. Wie immer werfen sie einen Blick in alle Schränke. „Mann, sieh mal hier. Alle Akten über die Schüler. Ich werd‘ verrückt. Sogar mit allen Zeugnissen.“ Bernd ist völlig aus dem Häuschen. „Ruf Peter an, ob wir da was von brauchen können.“

Alfred wählt Müllers Handynummer. Nachdem er erklärt hat, was sie gefunden haben, greift er nach einem Zettel und notiert zwei Namen: Stefan Schmidt und Petra Ahrens. Dann legte er auf. „Das ist eine Goldgrube, meint Peter. Wir sollen alles über die beiden Schüler fotografieren. Die haben gestern das Treffen geleitet, sagt er.“

„Kanntest du die?“, fragt Alfred.

„Nein! Aber Peter kennt sie“, antwortet Bernd. „Ich glaube, er kennt alle.“

„Alle was?“

„Na alle von diesen Antifa-Hanseln.“

„Woher?“

„Sein Vater hat gute Kontakte zur Stadtverwaltung!“

„Aber warum wollte er dann gestern den Namen von dem einen Antifa-Typen?“

„Alles Show“, lacht Bernd. „Du kennst ihn doch. Er wollte nur mal zeigen, dass wir in der Lage sind, Sachen durchzuziehen. Keiner hätte die Eier gehabt, diesen Typen vor uns zu schützen. Nur dieser Alte. Wir sind die Macht!“

„Stimmt, wir sind die Macht!“, echot Alfred. „Wem die Straße gehört, der bestimmt!“

Dann beginnt er das „Horst-Wessel-Lied“ zu summen. „Die Fahnen hoch! Die Reihen dicht geschlossen! SA marschiert mit ruhig festem Schritt!“

Bernd hat die Akte aufgeschlagen und fotografiert. Gewohnheitsmäßig summt er mit. „Kameraden, die Rotfront und Reaktion erschossen, marschieren im Geist in unseren Reihen mit.“

„Die Straße frei den braunen Bataillonen!“

Nach zehn Minuten hat er alle Seiten im Smartphone und sendet sie an Peter: Adressen, Noten, Beurteilungen, Schulbenachrichtigungen, Berufe der Eltern etc. Sie räumen die Unterlagen wieder ordentlich in den Schrank und reinigen dann weiter den Teppichboden.

Derweil steht Weitzel glücklich an der Trinkhalle um die Ecke. Dort steht für ihn ein eigenes Bierglas. Er hat es vor Jahren mitgebracht. Vom Flohmarkt. Es ist sein Glas. Seit acht Jahren wartet es geduldig auf seinen Herrn. Er besucht es, so oft er kann.

Ein bisschen Stil muss schon sein. Ich kenne keinen, der hier ein eigenes Glas hat. Nee, das hat niemand. Nur ich, der Erich Weitzel, der hat Stil. Muss cool aussehen, wenn ich da so stehe am Kiosk. Sieht dann aus, als wär’s meine Trinkhalle.

Tranig schaut er ins Nichts.

Mein Kiosk. Das wäre mein Traum. 24 Stunden trinken.

Der Hausmeister strahlt.

Da bräuchte ich nicht mal Kundschaft. Hihi. Mit einem eigenen Kiosk käme ich schon allein klar. Hihihi.

Sein Glas wartet immer treu auf ihn. Sonst wartet niemand.

In der Schule klingelt Bernds Handy. Peter Müller ist dran.

„Habe alles bekommen. Tolles Material!“

Bernd strahlt.

„Schau mal, ob du was über die kleine Negerschlampe von gestern findest.“

„Okay, wir suchen sie.“

Als er erneut den Schrank öffnen will, hört er Weitzel zurückkommen. Der stellt sich Halt suchend in den Türrahmen. Selbst auf einige Distanz schlägt ihnen eine üble Schnapsfahne entgegen.

„Und?“, fragt er mit schwerer Stimme. „Seid ihr fertig?“

„Natürlich, Herr Weitzel!“, rufen sie im Chor.

„Weiter so, Männer!“, antwortet er, dreht sich um und verschwindet leicht torkelnd.

„Wusstest du eigentlich, dass dieser alte Suffkopf ein Kamerad ist?“, fragt Alfred Bernd.

„Nee, wieso?“

„Er ist ein NPD-Mann. Mitglied der ersten Stunde.“

„Sieh an, sieh an“, murmelt Bernd.