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Antifa-Roman

40 | Er ist wieder da

Als Isabella am nächsten Dienstag über den Schulhof schlendert, denkt sie an nichts Böses. Die versuchte Vergewaltigung liegt nun schon etwas zurück. Der Schock sitzt noch in ihr, aber das Leben hat sich wieder nach vorne gedrängt. Sie hängt ihren Gedanken nach. Heute hat sie in Biologie eine Hausaufgabenüberprüfung. Sie ist gut vorbereitet. Gestern hat sie viel gelernt. Bio ist ihr Lieblingsfach.

Dann stockt sie mitten im Lauf. Sie sieht ihn in einer Ecke. Von hinten. Weit weg. Aber sie erkennt ihn sofort. Sie würde ihn immer wieder erkennen. Er fegt Laub. Alt. Widerlich. Wieder da. Hausmeister Weitzel.

Isabella verliert den Boden unter den Füßen. Ihr wird kalt. Der Blutdruck sackt weg. Sie muss sich an einem Papierkorb festhalten.

Das Schwein ist wieder da. Das Schwein ist wieder hier. Er wollte mir wehtun, mich vergewaltigen.

Sie schmeckt seine stinkende Nikotinhand auf ihrem Mund.

Er sollte weg sein.

Sie muss würgen. Seine ekligen Finger drücken ihre Brust.

Weit weg. Für immer. Niemals mehr auftauchen. Verbannt aus meinem Leben. Nie wieder kommen. Nie. Nie. Nie.

Panik steigt in ihr hoch. Sie möchte wegrennen und schreien. Aber sie steht nur da. Verletzt. Versteinert. Hilflos.

Er wird es wieder tun. Wenn er kann, wird er es wieder tun. Mich anfassen.

Isabella riecht den abstoßenden Atem. Wässrige Augen glotzen sie dummgeil an. Sie hat Angst.

Nie wieder darf das passieren. Nie wieder. Bittebittebitte. Nie wieder.

Ihr ist kotzübel. Ihre Beine werden weich. Sie klammert sich am Papierkorb fest.

Da legt sich eine Hand auf ihre Schulter. Blitzartig dreht sie sich um. Bereit, sich zu wehren. Ihre angstgeweiteten Augen erblicken Stefan. Sie bremst den instinktiven Schlag.

„Alles okay?“, fragt er.

Sie nimmt allen Mut zusammen.

„Jaja, es geht schon.“

„Bist du sicher, Isabella?“

Sie schaut ihn direkt an. Ihr Mund ist ein schmaler Strich. Dann wandern ihre Augen zu der Ecke. Stefan folgt ihrem Blick. Dann sieht auch er ihn. Sein Mund bleibt offen stehen.

„Wie kann es sein, dass dieses Arschloch wieder entlassen wurde? Wieso ist er wieder an der Schule?“

Instinktiv legt Stefan seinen Arm um Isabellas Hüfte.

Ich werde dich vor diesem Widerling beschützen. Niemals wird er dich wieder berühren. Nur über meine Leiche. Eher zerreiße ich diese Made in der Luft. Wag es nur und ich bring‘ dich um.

„Komm“, sagt er zärtlich zu ihr. „Ich bringe dich zum Klassenraum. Oder willst du lieber nach Hause?“

Würde ich am liebsten, aber ich kann mich ja nicht ewig verkriechen. „Klassenraum ist okay“, antwortet sie leise. „Danke, dass du da bist!“

„Kein Problem.“

Isabella hat seinen Arm nicht weggestoßen. Vorsichtig führt er sie über den Schulhof.

Zwei Augenpaare folgen ihnen.

„Hast du das gesehen? Die Fotze wäre fast zusammengebrochen.“

„Geschieht ihr recht. Irgendwann kriege ich die“, sagt Bernd. Alfred nickt zustimmend.

„Wir kriegen die. Irgendwann ist das Luder fällig!“

Die beiden sehen sich an.

„Der rote Zottel hat die jedenfalls nicht verdient.“

„Statt sich einen echten Deutschen zu angeln, holt sie sich so einen Vollpenner. Typisch Spaghetti-Schlampe.“

Isabella läuft wie betäubt in Stefans Arm zum Schulgebäude. Was um sie herum geschieht, nimmt sie nur unscharf wahr. Als sie in den leeren Flur einbiegen, dreht sich Isabella um und fällt Stefan um den Hals. Ihre Tränen fließen hemmungslos. Er fühlt ihren Schmerz. Es braucht keine Worte.

Er beschließt zu handeln.

Umgehend.

Zuerst begleitet er Isabella zur Toilette, wo sie sich noch einmal kurz Wasser ins Gesicht spritzen will. Niemand soll ihre Tränen sehen. Als sie im Klassenraum verschwunden ist, dreht sich Stefan wütend um und marschiert los. Sein Ziel ist der Schulhof. Der Hausmeister steht etwas abseits, neben ihm seine beiden Gehilfen, Alfred und Bernd.

Sehr gut, die drei Dreckschweine zusammen!

Stefan geht entschlossen auf sie zu. Sie schauen ihm erwartungsvoll entgegen. Weitzel wirkt verunsichert. Alfred und Bernd tun überheblich, aber sie sind verletzlich. Noch tut ihnen alles weh. Weil Stefan nichts sagt, sind sie unentschlossen. Das nutzt Stefan. Als er nahe genug an Bernd herangekommen ist, greift er ihm blitzartig in den Schritt und drückt zu. Bernds Gesicht ist schmerzverzerrt. Er stöhnt.

Alfred bewegt sich.

„Bleib stehen! Noch einen Schritt, und ich reiße deinem Freund die Eier ab.“

Stefan quetscht Bernds Schritt erneut. Der unterdrückt einen Schrei.

„Wenn ich einen von euch noch einmal näher als zehn Meter bei Isabella sehe, mach ich ihn fertig. Und zwar richtig!“

Weitzel reißt die Augen auf. Seine Panik ist förmlich zu riechen. Er schwitzt leicht.

„Verstanden?“

Bevor die drei reagieren können, zieht Stefan Bernds Schritt ein Stück nach oben. Reflexartig stellt der sich auf die Zehenspitzen. Stefan stellt mit einem Ausfallschritt sein linkes Bein hinter Bernds rechtes. Durch einen leichten Druck auf die Brust verliert Bernd das Gleichgewicht und kippt nach hinten. Stefan hält ihn weiter an den Eiern fest. Bernd schreit vor Schmerzen. Dann lässt Stefan los. Bernd fällt auf den lädierten Rücken. Zeitgleich dreht sich Stefan nach links zu Alfred. Mit einem geraden Tritt trifft er auch seine Hoden. Der klappt nach vorn. Stefans Knie trifft ihn ins Gesicht. Alfred stöhnt kurz auf, dann fällt er mit den Händen im Schritt nach vorne aufs Gesicht.

„Wenn ich euch das nächste Mal von Nahem sehe, bringe ich euch um. Und zwar als erstes dich, Weitzel, du widerliches Stück Dreck. Ich weiß genau, was ihr getan habt.“

Weitzel nickt unterwürfig.

„Zehn Meter. Verstanden?“

Alfred nickt jetzt auch. Ebenso Bernd.

„Ich will es hören.“

Bernd kann nicht sprechen. Er heult vor Schmerzen.

„Ich halte zehn Meter Abstand von dem Mädchen“ stottert der Hausmeister.

„Ich auch“, jammert Alfred. „Ich verspreche es.“

„Ich auch“, stöhnt Bernd.

Stefan grinst sie an.

„Danke, ihr Naziwichser. Und vergesst das nie.“

Dann dreht er sich um und geht.

Ab sofort sollte ich nur noch bewaffnet herumlaufen. Das wird vermutlich nicht ohne Antwort bleiben.