Als sie am Nachmittag wieder zusammenkommen, übernimmt Marlene an Barzels‘ PC das Kommando. Marc ist nicht dabei. Er ist in der Stadt, um sich neue Schuhe zu kaufen. Annette hat ihm Geld geliehen. Die anderen diktieren Marlene den Flugblatttext. Sie tippt ziemlich flüssig. Ihr Schulpraktikum hat sie in einem Anwaltsbüro gemacht. „Ihr diktiert mir viel…
Frédéric Lordon Am Montag, dem 20. März, waren die Homepages der französischen Nachrichtenseiten voller Spannung, als sie über das Misstrauensvotum gegen die Regierung berichteten: Sie rechneten aus, wie die Abgeordneten ihre Stimmen abgeben würden, schätzten die Chancen des Antrags ein, stellten sich die Machenschaften vor, spielten die Insider – was für ein Vergnügen. Politischer Journalismus:…
21 | Der Vertrauenslehrer
Am nächsten Morgen geht Marc wie immer zur Schule. Nichts anmerken lassen, ruft er sich immer wieder in Erinnerung. Das haben wir vereinbart. Es ist nichts passiert. Dann sieht er sie. Die Flugblätter liegen überall herum. Zu hunderten. Die Verteiler haben ganze Arbeit geleistet. Stefan wartet schon auf ihn. „Und wir haben sie nicht gesehen,…
20 | Geocaching
Auf dem Heimweg am nächsten Morgen hängt Marc seinen Gedanken nach. Es ist Sonntag. Er hat ausführlich und gemütlich bei Vera gefrühstückt. Seine Mutter, die ihn nun schon Tage nicht gesehen hat, tut ihm ein bisschen leid. Sie wird sich freuen, wenn ich ihr erzähle, dass ich mich verliebt habe. Das mit der Gruppe erzähle…
19 | Mîrhat
Die sechs treffen Mîrhat um 17 Uhr. Marlene hat es gerade noch pünktlich geschafft. Von ihrem Trip mit René erzählt sie den anderen nichts. Im Westend wohnen in Wiesbaden die meisten Menschen ausländischer Herkunft. Es ist ein kleines Café in einem Hinterhof. An den Wänden hängen bunte Plakate mit den Umrissen Kurdistans und Frauen in…
18 | René III
Gegenaufklärungstraining nennt es René. Verfolger erkennen und abhängen. An diesem Samstag ist Marlene dabei. Er will ihr die Grundlagen konspirativen Handelns beibringen. Sie stehen am Wiesbadener Bahnhof und lösen ein Tagesticket. René zahlt bar. Regel Nummer 1. zahle immer bar. Nutze nie eine Kreditkarte oder gar das Smartphone zum Zahlen. „Wenn du dir den Bahnhof…
17 | Der Schock
„Wie siehst du denn aus?“, fragt Vera, als sie Stefan die Tür öffnet. „Gasangriff – von Nazis!“ „Was?“ Vera ist sichtlich erschüttert. „Echt jetzt?“ Stefan tritt in den Flur. Er ist verdreckt, der Ellenbogen verletzt, die Augen knallrot. „Sehe ich aus, als ob ich scherze?“ „Scheiße, ich hab‘ es ja gewusst!“ Petra ist kalkweiß. In…
16 | Der Angriff
Der Weg von der Schule zu Vera ist nicht weit. Ein paar Kilometer den Zweiten Ring entlang. Das Dichterviertel, wo Vera wohnt, liegt am Rande der Innenstadt von Wiesbaden. Genau wie die Leibnizschule. Stefan geht von zehn Minuten Fahrt mit dem Rad aus. Sie sind in zwei Stunden bei Vera verabredet. Er beschließt, eine Runde…
Von Vidar Lindstrøm Zur Mobilmachung des deutschen Bürgertums für den Krieg. „Die Bourgeoisie hat weitere Fortschritte gemacht in der Kunst, das Unglück der Arbeiterklasse zu verbergen.“ Friedrich Engels1 „Auf der Heide blüht ein kleines Blümelein und das heißt Erika“, heißt es im derzeit bei der Meme-Community beliebten NS-Marschlied von Herms Niel. Das Lied ist passend…
„In der Geschichte der Menschheit gibt es nur ein einziges, äußerst vielseitig talentiertes und vollkommenes Individuum – und das bin ich.“ Jaroslav Hašek: Jaroslav Hašek, der größte tschechische Schriftsteller Im Januar 1923 starb im böhmischen Lipnice nad Sázavou der Prager Schriftsteller Jaroslav Hašek. Dass sein Ableben im Alter von nur 39 Jahren geschah, mag auch…